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Der Karlspreis, eigentlich Internationaler Karlspreis der Stadt Aachen (seit 1988 Internationaler Karlspreis zu Aachen), wird alljährlich in Aachen für Verdienste um die Europäische Einigung verliehen. Verliehen wird neben der Urkunde auch eine Medaille, deren Vorderseite das Bildnis Karls des Großen auf seinem Thron zeigt, eine Darstellung des ältesten erhaltenen Stadtsiegels Aachens aus dem frühen 12. Jahrhundert. Den Abschluss der Verleihungszeremonie des mit einer Summe von 5000 € dotierten Karlspreises bilden die Aufführung des Hymnus Urbs Aquensis, die Rede des Preisträgers und ein musikalischer Ausklang. Eingebettet ist die Verleihungszeremonie in eine Folge festlicher Veranstaltungen.
Inhaltsverzeichnis |
Der Preis wurde nach Karl dem Großen benannt, der als erster Einiger Europas gilt. Ende des achten Jahrhunderts wählte er Aachen zu seiner Königspfalz, wodurch eine Brücke zwischen europäischer Vergangenheit und Zukunft geschlagen werden sollte.
Die Verleihung findet traditionell Christi Himmelfahrt im Krönungssaal des Rathauses der Stadt Aachen statt. Die Auswahl des Preisträgers trifft das Direktorium der Karlspreisgesellschaft, das sich heute aus dem Oberbürgermeister der Stadt Aachen, dem Dompropst in Aachen und dem Rektor der RWTH Aachen als Mitgliedern kraft Amtes, Vertretern der im Rat der Stadt Aachen vertretenen Fraktionen, vom Direktorium benannten Mitgliedern, gewählten Mitgliedern und Vertretern der Stiftung zusammensetzt.
Im Jahr 2010 setzte sich auf Initiative der ehemaligen Ratsfrau und Bürgermeisterin Meike Thüllen (FDP) ein Bürgerforum dafür ein, dass die unter Verschluss gehaltenen Akten über die Auswahl der Kandidaten und die Entscheidung über die Vergabe des Aachener Karlspreises, die älter als 30 Jahr sind, der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, um somit auch ihre wissenschaftliche Auswertung ermöglichen zu können[1]. Eine endgültige Entscheidung darüber steht noch aus.
Im Dezember 1949 gründeten die Aachener Bürger Albert Maas, Albert Servais, Bischof Johannes Joseph van der Velden, Professor Wilhelm Müller, Peter Mennicken, Hermann Heusch, Franz Krauß, Carel Nieuwenhuijsen, Erasmus Schlapp und Jean Louis Schrader nach einer Initiative des Kaufmanns Kurt Pfeiffer die „Gesellschaft zur Verleihung des Internationalen Karlspreises der Stadt Aachen“ (Karlspreisgesellschaft), deren Zweck es sein sollte, den Weihnachten 1949 proklamierten Karlspreis zu verleihen. Sie erklärte, der Preis solle fortan jährlich „Persönlichkeiten verliehen“ werden, „die den Gedanken der abendländischen Einigung in politischer, wirtschaftlicher und geistiger Beziehung gefördert haben“. Die Karlspreisgesellschaft ist seit 1987 in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins verfasst und führt den Namen „Gesellschaft für die Verleihung des Internationalen Karlspreises zu Aachen e. V.“. Seit 1997 existiert daneben die „Stiftung Internationaler Karlspreis zu Aachen“, die den Gedanken der europäischen Einigung fördern soll.
Seit 2008 wird von der Karlspreisstiftung, gemeinsam mit dem Europäischen Parlament, auch ein Karlspreis für die Jugend vergeben, der das europäische Engagement von Jugendlichen und jungen Erwachsenen würdigt und vorbildliche Jugendprojekte auszeichnet.[2]
Fast jährlich werden die Verleihungen von Demonstrationen begleitet. Auf Kritik von linken Gruppen stößt immer wieder die Auswahl der Preisträger, wie auch die Institution Karlspreis selbst. Unter den Ausgewählten befand sich etwa 1987 der ehemalige US-Außenminister Henry Kissinger, zu dessen Amtszeit sowohl die Ausweitung des Vietnamkrieges als auch der von US-Geheimdiensten unterstützte Putsch gegen die Regierung Chiles unter Salvador Allende stattfanden. Tony Blair (1999), Bill Clinton (2000) und Javier Solana (2007) wurde vorgehalten, sie seien die Hauptverantwortlichen der Luftangriffe gegen Jugoslawien. Grundsätzlich kritisiert wird die Berufung auf den Namensgeber Karl den Großen, der im Nachhinein den Beinamen „Sachsenschlächter“ durch ein Massaker an über 4.000 heidnischen Sachsen erhielt.[3]
Auch auf Grund neuer Erkenntnisse aus dem Bericht des US-Nachrichtenoffiziers Saul Kussiel Padover wurden sowohl in einer amerikanischen[4] als auch einer britischen[5] Pressemitteilung die Idee des Karlspreises wegen der Mitgliedschaft Pfeiffers in der NSDAP und fünf weiteren NS-Organisationen sowie den ebenfalls NS-belasteten Mitgliedern des ersten Karlspreisdirektoriums, Oberstadtdirektor und Bürgermeister Albert Servais und Hochschulprofessor Peter Mennicken, in Frage gestellt und dieser Preis zusätzlich auch als vermeintliche und nicht angebrachte „Mystifizierung“ Karls des Großen, seiner Politik und seines Reiches interpretiert.
Jahr | Preisträger | Medailleninschrift | Anmerkungen | Bild |
---|---|---|---|---|
1950 | Richard Nikolaus Graf von Coudenhove-Kalergi | In Würdigung seiner Lebensarbeit für ein geeintes Europa | ||
1951 | Hendrik Brugmans | Dem mutigen Wegbereiter eines geeinten Europa | ||
1952 | Alcide De Gasperi | Dem Staatsmann und Europäer Alcide de Gasperi | ||
1953 | Jean Monnet | Dem Schöpfer der ersten souveränen übernationalen europäischen Institution | ||
1954 | Konrad Adenauer | Dem kraftvollen Förderer eines einigen Europa | ||
1956 | Winston Churchill | Hüter menschlicher Freiheit – Mahner der europäischen Jugend | ||
1957 | Paul-Henri Spaak | Verdienst um Europas Einigung und Sicherheit | ||
1958 | Robert Schuman | Für die Einheit Europas | ||
1959 | George C. Marshall | Für Verdienst um Wiederaufbau und Einigung Europas | ||
1960 | Joseph Bech | Für Verdienste um Europa | ||
1961 | Walter Hallstein | Neues Europa freiwilliger Bindung | ||
1963 | Edward Heath | Einordnung und Festigkeit in Europäischer Zukunft | ||
1964 | Antonio Segni | Für Einheit und Freiheit Europas | ||
1966 | Jens Otto Krag | Für die Einheit Europas | ||
1967 | Joseph Luns | Einsatz für Europa | ||
1969 | Kommission der europäischen Gemeinschaften | Gemeinschaften in Anerkennung ihrer hohen Verdienste um die Europäische Einigung | ||
1970 | François Seydoux de Clausonne | Freiheit durch Einheit | ||
1972 | Roy Jenkins | Bekenntnis zu Europa | ||
1973 | Salvador de Madariaga | Ein Leben für Europa – Freiheit, Ethik, Mut | ||
1976 | Leo Tindemans | Abendländische Klarheit und Verantwortung | ||
1977 | Walter Scheel | Für Europa und den Frieden der Welt | ||
1978 | Konstantinos Karamanlis | Freiheit und Wohlfahrt in enger Bindung | ||
1979 | Emilio Colombo | Ein Leben für Europa | ||
1981 | Simone Veil | Für ein demokratisches Europa | ||
1982 | König Juan Carlos I. von Spanien | Für Einheit und Menschenwürde | ||
1984 | Karl Carstens | Raum des Rechtes und des Friedens | ||
1986 | Das Volk von Luxemburg | Vorbild und Beharrlichkeit auf dem Weg zur Einheit Europas | ||
1987 | Henry Kissinger | Für Partnerschaft und Frieden | ||
1988 | François Mitterrand und Helmut Kohl | Für Französisch-Deutsche Freundschaft und Europas Zukunft | ||
1989 | Frère Roger | Gleichnis der Gemeinschaft | ||
1990 | Gyula Horn | Gesamteuropa – Von der Spaltung zur Einheit | ||
1991 | Václav Havel | Symbol der Verständigung in Europa | ||
1992 | Jacques Delors | Baumeister des europäischen Binnenmarktes | ||
1993 | Felipe González | Streiter für Freiheit und Demokratie in Europa | ||
1994 | Gro Harlem Brundtland | Verantwortung Europas für die Welt | ||
1995 | Franz Vranitzky | Europa wachsen neue Kräfte zu | ||
1996 | Königin Beatrix der Niederlande | Gute Nachbarschaft in Europa | ||
1997 | Roman Herzog | Unsere Vision heißt Europa | ||
1998 | Bronisław Geremek | Freiheit und Demokratie in Europa | ||
1999 | Tony Blair | Frieden und Zusammenwachsen in Europa | In der Kosovo-Krise 1999 spielte Blair eine führende Rolle. Im Gegensatz zum Zögern der Tory-Regierung während des Bosnienkrieges forderte Blair ein klares Handeln der NATO gegenüber Slobodan Milošević. Er überzeugte US-Präsident Clinton, notfalls auch Bodentruppen im Kosovo einzusetzen. Auf einer Rede in Chicago, einen Monat nach Kriegsbeginn, legte er Grundzüge einer neuen Doktrin für die internationale Gemeinschaft fest. Die Verleihung des Karlspreises wurde allerdings (siehe Vorwort) vielfach als Rechtfertigung von Kriegshandlungen kritisiert | |
2000 | Bill Clinton | Partnerschaft für Freiheit, Demokratie und Frieden | ||
2001 | György Konrád | Brückenbauer für Gerechtigkeit und Versöhnung in Europa | ||
2002 | Der Euro | Identifikation mit Europa | Im Jahre 2002 wurde der Euro, die Währung der Europäischen Währungsunion, mit dem Internationalen Karlspreis zu Aachen ausgezeichnet, da er „wie kein anderer Integrationsschritt zuvor die Identifikation mit Europa befördert und damit einen entscheidenden, epochemachenden Beitrag zum Zusammenwachsen der Völkerfamilie leistet“. Angenommen wurde der Preis von Wim Duisenberg, dem damaligen Präsidenten der Europäischen Zentralbank. | |
2003 | Valéry Giscard d’Estaing | Verfassung für ein Vereintes Europa | Giscard d'Estaing erhielt den Preis für seine Verdienste um den Entwurf einer Europäischen Verfassung, die er als Präsident des Europäischen Konvents mit ausarbeitete. | |
2004 | Johannes Paul II. | Außerordentlicher Karlspreis Aachen. Papst Johannes Paul II. Europa des Friedens | Am 24. März 2004 wurde in Rom der Außerordentliche Internationale Karlspreis zu Aachen an Papst Johannes Paul II. in Würdigung seines Wirkens für die Einheit Europas, die Wahrung seiner Werte und die Botschaft des Friedens verliehen. | |
2004 | Pat Cox | Erweiterung und Demokratisierung der Europäischen Union | Am 20. Mai 2004 wurde er in Aachen mit dem Karlspreis ausgezeichnet. Das Karlspreis-Direktorium würdigt damit seine Verdienste um die EU-Erweiterung und Demokratisierung der Europäischen Union. | |
2005 | Carlo Azeglio Ciampi | Europa der Werte | Der Italiener wird für seine Verdienste um Europa ausgezeichnet. Ciampi hat den Preis am 5. Mai im Krönungssaal des Aachener Rathauses entgegengenommen. | |
2006 | Jean-Claude Juncker | Motor für Europa | Mit Glaubwürdigkeit, Kompetenz und Leidenschaft sei er Motor und Vordenker des Integrationsprozesses, begründete das Karlspreis-Direktorium die Wahl. | |
2007 | Javier Solana | Frieden in Europa – Frieden in der Welt | Solana erhielt am 17. Mai 2007 für „herausragendes Engagement für einen substanziellen Beitrag Europas zu einer sicheren und gerechteren Welt“ den Karlspreis. | |
2008 | Angela Merkel | Europa gelingt gemeinsam | Der deutschen Bundeskanzlerin wurde am 1. Mai 2008 der Preis „für ihre Verdienste um die Weiterentwicklung der Europäischen Union“ verliehen. Nicolas Sarkozy, der Präsident Frankreichs und zukünftige EU-Vorsitzende, hielt die Laudatio zu Ehren Angela Merkels, er würdigte das Verhältnis der Franzosen zu Deutschland und Europa.[6][7] | |
2009 | Andrea Riccardi | Frieden, Solidarität und Menschenwürde | Gründer der Gemeinschaft Sant’Egidio. Das Direktorium für den Karlspreis würdigte neben den zahlreichen Verdiensten insbesondere das herausragende Beispiel zivilgesellschaftlichen Engagements für ein menschliches und – innerhalb wie außerhalb seiner Grenzen – solidarisches Europa, für die Verständigung von Völkern, Kulturen und Religionen und für eine friedlichere und gerechtere Welt.[8] | |
2010 | Donald Tusk[9] | Überzeugender und überzeugter Europäer | Der polnische Ministerpräsident wurde am 13. Mai 2010 unter anderem für „den besonderen Einsatz […] für die Ratifizierung des Lissaboner Vertrags durch die Republik Polen“ geehrt.[10] Die deutsche Bundeskanzlerin und frühere Preisträgerin Angela Merkel würdigte Tusk in ihrer Laudatio als großen Europäer.[11] | |
2011 | Jean-Claude Trichet[12] | Stabilität und Vertrauen für Europa | Verdienste um die Stabilisierung des Euroraums in der Finanzkrise | |
2012 | Wolfgang Schäuble | Für seine „herausragenden Verdienste um die Überwindung der Teilung Deutschlands und Europas und seiner Rolle als Ideengeber und wichtiger Akteur bei nahezu allen Integrationsfortschritten in den vergangenen drei Jahrzehnten und in Anerkennung seiner bedeutenden Beiträge zur Stabilisierung der Währungsunion und zur Vertiefung des Einigungsprozesses“.[13] |
Am 24. März 2004 wurde zum bisher einzigen Mal ein außerordentlicher Karlspreis an Papst Johannes Paul II. verliehen (siehe oben).
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